Bund-Länder-Warnpakt

Der Schutz der Bevölkerung gehört zu den Kernaufgaben des Staates und muss daher im Mittelpunkt jeder sicherheitspolitischen Debatte stehen. Eine frühzeitige und effektive Warnung ist grundlegender Bestandteil sowohl des
Zivilschutzes als auch des Katastrophenschutzes. Nur wenn frühzeitig verständliche Informationen zur jeweiligen
Gefahrenlage vorliegen, können effektive Abwehrmaßnahmen eingeleitet und Menschen geschützt werden bzw. diese
sich selbst in Sicherheit bringen. Die Warnung der Bevölkerung, insbesondere die Warnung durch Sirenen, wurde
bisher vor allem punktuell betrachtet und zu wenig im Gesamtkontext des Bevölkerungsschutzes. Auch wenn Bund,
Länder und Kommunen in der Vergangenheit Anstrengungen unternommen haben, die Warninfrastruktur in Deutschland zu verbessern, reichen die Verbesserungen aktuell noch nicht aus. So wurde Barrierefreiheit beispielsweise nicht
vollumfänglich berücksichtigt.

 


Die verheerende Flutkatastrophe im Sommer 2021 hat deutlich gemacht: Eine funktionierende Warninfrastruktur muss
flächendeckend vorhanden sein und somit dringend stärker in den Blick genommen bzw. gefördert werden! Für eine
effektive Warnung und Information möglichst aller Bürgerinnen und Bürger muss ein bereiter Warnmix bereitgestellt
werden, der neben Sirenen oder Lautsprecheransagen durch Feuerwehr oder Polizei durch digitale Warnsysteme, wie
z.B. die WarnApps NINA und KATWARN oder Cell Broadcast gewährleistet wird. Hier sind sowohl Bund als auch Länder
in der Pflicht. Die Flutkatastrophe von 2021 hat gezeigt, dass die Zuständigkeiten und Informationswege für
Warnungen teilweise nicht bekannt waren. Alle beteiligten Akteure und Ebenen sollten daher die Zuständigkeiten und
Abläufe für Warnungen vor allem bei Katastrophen und Großeinsatzlagen kritisch prüfen und ggfs. verbessern.
Verantwortungsdiffusion sowohl in der vertikalen Zuständigkeit (Kreis, Land, Bund), als auch in der horizontalen
Verantwortung zwischen den Behörden und Stellen einer Verwaltungsebene müssen ausgeschlossen werden.
Entsprechende Ressourcen und Wissen müssen bereitgestellt werden, um Vorhersage, Warnung sowie Bewältigung
effektiv zu gestalten.
Es bedarf umfangreicher Finanzmittel, um die lange vernachlässigte Warninfrastruktur auf einen zukunftsfähigen
Stand zu bringen. Die „Weckfunktion“ einer Warnung ist in jedem Fall notwendig. Ziel sollte hierbei immer sein, die
gesamte Bevölkerung verlässlich, verständlich und rechtzeitig warnen zu können und damit auch mit konkreten
Anweisungen handlungsfähig zu machen. Die dringende Verbesserung der Warninfrastruktur muss auf allen Ebenen
angegangen werden. In Deutschland sind Bund und Länder sowie Kommunen für die Warnung verantwortlich. Um an
dieser Stelle eine einheitliche, flächendeckende und schlagkräftige Warnlandschaft in Deutschland – von Bayern bis
nach Schleswig-Holstein, von Sachsen bis nach Rheinland-Pfalz – zu erreichen, fordern wir:

  1. Sirenennetz schlagkräftig aufstellen
    Das Sirenennetz muss beschleunigt vervollständigt werden. Bund und Länder sind gefordert, einen gemeinsamen
    Fahrplan hin zu einer Finanzierungsvereinbarung zu erstellen. Dabei sollen die Sirenen auf dem technisch neusten
    Stand beschafft werden; u.a. mit der Möglichkeit auch textliche Durchsagen abzuspielen. Die existierenden Sirenenmüssen beschleunigt nachgerüstet werden, um auch zentral über den Digitalfunk ansteuerbar zu sein.
  2. Einheitliche Sirenensignale für mehr Durchschlagskraft
    Der 2019 von der Innenministerkonferenz gefasste Beschluss für einheitliche Sirenensignale im Ernstfall war ein
    Minimalkonsens und wurde bisher nicht vollumfänglich umgesetzt. Jetzt müssen wir darüber hinausgehen.
    Sirenen sollten in allererster Linie der Warnung der Bevölkerung dienen. Die mitunter lokale Nutzung für die
    Feuerwehr-Alarmierung sollte geprüft und nach Möglichkeit durch andere Mittel und Wege ersetzt werden.
    Bund-Länder-Warnpakt
  3. Bundesweiter „Bevölkerungsschutztag “ & Verpflichtung zur Teilnahme am Warntag
    Damit die Bevölkerung (wieder) mehr sensibilisiert wird, soll es einheitliche und verbindliche Tests sowie Übungen
    mit Sirenen geben. Die Warnsignale müssen den Bürgerinnen und Bürgern bekannt sein, ebenso wie das Wissen über
    damit verbundene Handlungsanweisungen, z.B. differenziert nach Gefahrenlagen und Intensität. In Übungen sollten
    Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben diesen Tag begleiten, bspw. durch altersgerechte Ansätze in
    Schulen. Dadurch wird auch die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung gestärkt. Derzeit ist die Teilnahme am bundesweiten Warntag freiwillig. Bund und Länder sollten einen gemeinsamen deutschlandweiten Bevölkerungsschutztag
    veranstalten.
  4. Selbsthilfefähigkeit als Pflichtaufgabe der Kommunen vor Ort implementieren
    Die Verantwortlichen vor Ort wissen am besten, welche Gefahren den Menschen dort jeweils drohen können. Daher
    sollten die Kommunen die vom Bund erarbeiteten Zivilschutzinhalte an die lokalen Risiken anpassen und den
    Menschen vor Ort nahe bringen. Eine Erarbeitung kommunaler Sicherheitspläne sowie die Vermittlung von Selbstschutzinhalten an die lokale Bevölkerung führen zu besserer Prävention und reduzieren Schäden. Hierzu gehören
    auch Evakuierungspläne.
  5. Barrierefreiheit bei Warnungen
    Warnungen müssen so niedrigschwellig wie möglich sein, um alle Menschen zu erreichen. Sie müssen
    technologisch und inhaltlich so gestaltet werden, dass sie bei Menschen mit verschiedensten Einschränkungen
    ankommen. Inklusives Warnen bedeutet bspw. die Nutzung von Gebärdensprache oder Leichter Sprache und muss von
    Beginn an mitgedacht werden. Warnbotschaften müssen außerdem für Menschen, die kein Deutsch sprechen,
    mehrsprachig angeboten werden.
  6. Warnungen resilienter aufbauen – Stromabhängigkeit reduzieren
    Der Großteil der verbauten Warnmittel verfügt bisher über ungenügende Akkuleistungen und ist daher zu abhängig
    von funktionierenden Stromnetzen. Warnmittel sollen daher so konzipiert werden, dass sie energieeffizient laufen und
    auch bei geringem Stromangebot oder einem vollständigen Stromausfall uneingeschränkt funktionstüchtig bleiben.

gez.:
Leon Eckert MdB
Layma Kaddor MdB
Andrea Schwarz, MdL Baden-Württemberg
Katharina Schulze, MdL Bayern
Vasili Franco, MdA Berlin
Heiner Klemp, MdL Brandenburg
Dr. Julia Höller, MdL Nordrhein-Westfalen
Dr. Lea Heidbreder, MdL Rheinland-Pfalz
Carl-Bernhard von Heusinger, MdL Rheinland-Pfalz
Valentin Lippmann, MdL Sachsen
Sebastian Striegel, MdL Sachsen-Anhalt
Dirk Kock-Rohwer, MdL Schleswig-Holstein
Madeleine Henfling, MdL Thüringen