Entzug der Staatsbürgerschaft als Strafe? – Nein, danke.
Plenarprotokoll 19/66
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Uns erreicht eine schreckliche Nachricht aus Spandau, und dann tritt die AfD auf den Plan. Stand jetzt keine Informationen zum Tatablauf, keine Informationen zum Motiv, noch zur Nationalität, aber die AfD nutzt den Vorfall für ihre eigene rassistische Agenda, wie sie ein ums andere Mal Opfer von Straftaten für ihre Agenda instrumentalisiert. Ich finde das unanständig. Ich finde das unwürdig.
Sie fordern heute den Entzug der Staatsbürgerschaft für Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, oder, wie sie die Herren da rechts außen oftmals nennen, „Passdeutsche“. Eine Formulierung, die in ihrem Kern unmissverständlich ausdrückt, wo das Volksverständnis der AfD zu verorten ist, nämlich in einem so völkisch-ethnischen wie verfassungswidrigen Volksbegriff. Das, was Sie hier als Sicherheitsmaßnahme verkaufen, wird keine einzige Straftat verhindern. Sie machen dieses Land damit nicht
sicherer, ganz im Gegenteil. Es ist ein weiterer Angriff auf das Grundgesetz und die Regeln, die sich dieses Land aus den Lehren der deutschen Geschichte gegeben hat.
Herr Dregger hat es gesagt, die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden; nur wenn eine zweite Staatsangehörigkeit vorliegt, kommt das überhaupt in Betracht und nur unter sehr engen Voraussetzungen wie falsche oder gar gefälschte Angaben. Nicht in Betracht kommt es, wenn man als deutsche Staatsbürgerin oder Staatsbürger danach Straftaten begeht. Es bleibt – damit auch Sie es verstehen – dann eine deutsche Straftat, ein deutscher Täter.
Und wer Straftaten begeht, muss sich dafür verantworten, vor dem Gericht, nach dem deutschen Strafgesetzbuch. Und das gilt für alle gleich. Und das Gute ist, im Strafgesetzbuch richtet sich die Strafe nach der Schwere der Tat und nicht danach, wie der Täter aussieht, aus gutem Grund, aus der bitteren historischen Erfahrung, dass eben gerade die Staatsangehörigkeit im Nationalsozialismus aus politischen Gründen massenhaft entzogen wurde. Es wurde damals zum Mittel der Ausgrenzung und Entrechtung missbraucht.
Und genau an diese Logik knüpfen Sie als AfD jetzt wieder an. Worum geht es also Rechtsextremisten und Rassisten wirklich? – Es geht nicht um Sicherheit. Es geht um Spaltung, um die Vorstellung, dass Menschen mit Migrationsgeschichte Deutsche auf Widerruf seien. Wer nur einen Pass hat, ist geschützt, wer zwei hat, lebt unter dem ständigen Damoklesschwert der Ausbürgerung.
Aber nein, meine Herren von Rechtsaußen, auch wenn man eine Straftat begeht, verliert man nicht die grundlegende Bindung an diesen Staat, nicht das staatsbürgerliche Dasein. Wer aber Kriminalität wie Sie nur dann sieht, wenn sie die falsche Hautfarbe oder Herkunft hat, dem geht es am Ende gar nicht darum, dass Straftäter zur Rechenschaft gezogen werden. Dem geht es darum, den Entzug der Staatsbürgerschaft als politisches Druckmittel zu nutzen, als Spielball ideologischer Abschreckungspolitik.
Aber dabei ist doch gerade die Staatsbürgerschaft in einem Rechtsstaat Ausdruck von Gleichheit, Zugehörigkeit und Verantwortung. Nur weil man eine Migrationsgeschichte hat, muss man sich die Staatsbürgerschaft nicht verdienen. Wenn man sie sich verdienen müsste, dann wären Sie die ersten, die sie abgeben müssten, denn last but not least: Die AfD ist und bleibt die Partei mit den meisten Straftätern in den eigenen Reihen, von Volksverhetzung bis zum Staatsstreich ist alles dabei.
Und wissen Sie was? – Ich würde Ihnen dafür nicht mal die Staatsbürgerschaft entziehen, aber was ich Ihnen damit definitiv entziehe, ist die Glaubwürdigkeit im demokratischen Diskurs. – Vielen Dank!