Rede zum Bericht des Bürger- und Polizeibeauftragten

Plenarprotokoll 19/46

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Beauftragter Dr. Oerke! Amt aber glücklich! Immer wieder lesen wir in der berüchtigten „Tagesspiegel“-Checkpoint-Rubrik von positiven Erlebnissen von Berlinerinnen und Berlinern mit Behörden. Diese Momente gibt es jeden Tag zahlreich. Berlin funktioniert nicht immer, doch in allen Ämtern und Behörden sind Beschäftigte, die auch teils unter widrigen Bedingungen wirklich das Beste für Berlin geben. Gerade weil wir es ihnen zu selten sagen dafür vielen Dank!
Dass da nicht immer alles funktioniert, liegt nicht alleine daran, dass Berlin eben Berlin ist, wie es der Regierende Bürgermeister sagen würde. Es ist auch keine neue Erkenntnis und kein Wunder. Wo Menschen auf Menschen treffen, passieren Fehler. Die Frage, die man sich stellen muss, ist, wie man mit Fehlern umgeht. Wo Fehler passieren, wo Menschen sich ungerecht behandelt fühlen, kommt der Bürgerbeauftragte ins Spiel. Er verleiht Problemen und Anliegen Gehör. Der Beauftragte ist weder Freund noch Feind, sondern neutraler Vermittler zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Behörden. Ja, liebe CDU, alles beginnt mit einem Einzelfall, und jedem einzelnen Fall wird nachgegangen. Jede Bürgerin, jeder Bürger wird ernstgenommen, und vor allem werden Menschen nicht alleinegelassen.
Im diesjährigen Bericht wird deutlich: Es geht nicht darum, Behörden zu verklagen, Beamtinnen und Beamten an den Pranger zu stellen, sondern darum, niedrigschwellige Lösungen zu finden. Wir sollten Menschen, nicht wie Sie es auch getan haben, Herr Dregger, einfach auf den Rechtsweg verweisen oder Bürgeranliegen als irrelevante Einzelfälle abtun. Wer den Bericht wirklich aufmerksam gelesen hat, wird feststellen – ob Fragen des Wohngelds, der Schulpflicht, der Schulplatzsuche, der Verkehrssicherheit, des Sozialtickets –, dass der Bericht aufzeigt, wo Berlin nicht funktioniert. Er zeigt auf, wo Menschen
regelrecht verzweifeln, und er zeigt auf, wie es besser gehen kann. Jede erfolgreiche Schlichtung, jede Abhilfe ist ein Gewinn, damit die Menschen in der Stadt wieder Vertrauen in den Staat und seine Institutionen zurückgewinnen. Ein Beispiel aus dem Bericht ist die Fahrerlaubnisbehörde. Wenn Abläufe sich so verzögern, dass Menschen nicht an Fahrerlaubnisse kommen, müsste doch gerade die Autopartei der CDU auf der Palme sein, war sie aber nicht. Nach Intervention des Beauftragten hingegen hat das Landesamt zugesagt, den Prozess zu ändern. Das ist nur eines der Beispiele für strukturelle Verbesserungen, wo von den Kritikern immer wieder gesagt wird, dass das eine Gefahr sei. Es ist doch genau das Gegenteil.
Das Analysieren von Fällen und Abläufen ermöglicht, strukturell Dinge zu verbessern. Davon profitieren beide Seiten: Bürgerinnen und Behörde.
Was für andere Behörden gilt, ist auch bei der Polizei nicht anders. Auch dort leisten Polizistinnen und Polizisten in der ganzen Stadt eine unverzichtbare Arbeit für die Sicherheit in Berlin, aber auch dort passieren Fehler.
Auch in seiner Funktion als Polizeibeauftragter gelingt es Herrn Dr. Oerke in vielen Fällen, Missverständnisse und Konflikte aufzulösen. Es ist und bleibt wichtig, das nicht einfach zu übergehen. Wenn eine Frau die Polizei ruft, weil in einer anderen Wohnung ein Rauchmelder losgeht und dann in den Lauf einer Schusswaffe blickt, dann ist da etwas nicht gut gelaufen. Wenn eine Versammlung rechtswidrig durch die Polizei eingeschränkt wird, dann ist da etwas nicht gut gelaufen. Wenn einem Mann
fälschlicherweise eine Trunkenheitsfahrt vorgeworfen wird und dann trotz 0,0 Promille in Handschellen abgeführt wird, dann ist das ein Fehler. Fehler passieren, auch in der Polizei. Das ist menschlich. Die Frage ist aber auch hier: Wie geht man mit den Fehlern um?
Der diesjährige Bericht des Beauftragten zeugt leider auch von einem erheblichen Verbesserungsbedarf bei der polizeiinternen Fehlerkultur. Ich erwarte von der Polizeipräsidentin an dieser Stelle, dass sie nach innen lebt, was sie nach außen vertritt.
Wenn die Behörden Anfragen nicht nachkommen oder Berichte sogar schönschreiben, ist das schlicht inakzeptabel. Es gibt leider die Fälle, in denen die Fehlerkultur nicht funktioniert. Ich bekomme das Gefühl, dass je formaler das Verfahren, umso mehr auf Kosten der Fehlerkultur. Wenn Transparenz nur dann geleistet wird, wenn man nichts zu verbergen hat, läuft etwas schief. Dann gibt es zumindest in Teilen der Fehlerkultur eine Kultur des Wegschauens. Eine echte Fehlerkultur wirkt auch nur, wenn Fehler anerkannt werden und man bereit ist, aus diesen zu lernen. Wo es Schatten gibt, gibt es aber auch Licht. Es geht nämlich mit Offenheit und Konstruktivität. Die Fälle gibt es auch, in denen die Kritik angenommen worden ist, eine Nachbearbeitung zugesagt worden ist oder der Fall sogar für Fortbildungen genutzt wird, die Fälle, in denen es auch persönliche Gespräche gibt, um eine Sache zu klären. Die Polizei kann eine konstruktive Fehlerkultur verwirklichen, wenn sie es denn möchte. Wie bei anderen Behörden aber auch so gibt es auch bei der Polizei strukturellen Verbesserungsbedarf, beispielsweise bei Einsätzen im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen. Ohne Zweifel sind solche Einsätze selten einfach, und die Folgen eines eskalierenden Einsatzes können dramatisch sein, wie beispielsweise im Fall von Kupa Mutombo, der am 6. Oktober 2022 nach einem Polizeieinsatz starb. Selbst wenn kein strafbares Fehlverhalten vorliegen sollte, was in diesem Fall aber nicht abschließend geklärt ist, hätte eine andere Durchführung des Einsatzes möglicherweise den Tod verhindern können.
Sollte es nicht unser aller Anliegen sein, genau dann für strukturelle Verbesserungen zu kämpfen? Ich würde es mir zumindest wünschen.
Als wir damals das Amt des Bürger- und Polizeibeauftragten eingeführt haben, hat die CDU hier regelrecht den Weltuntergang an die Wand gemalt. Da war von Paralleljustiz die Rede, von Generalverdacht, Herr Dregger meinte sogar, wir würden die Arbeit der Polizei behindern und dafür sorgen, dass die Polizei geschwächt wird. Also Vorsicht, wer hier von Verunglimpfung redet, lieber Herr Kollege! Ich hoffe, Sie haben gemerkt, dass das völlig überzogene Stimmungsmache war.
Seriöse Sicherheitspolitik sieht anders aus, liebe Kollegen von der CDU! Das haben Sie damals bewiesen und heute leider auch wieder ein bisschen. Letztendlich geht es um Vertrauen, und das fällt nicht vom Himmel. Man muss es sich tatsächlich erarbeiten, indem man annimmt, dass es Probleme gibt, dass Fehler passieren und dass man dann darauf Antworten findet. Da möchte ich abschließend im Namen meiner Fraktion Ihnen, Herr Dr. Oerke, und Ihrem ganzen Team sehr herzlich für Ihre Arbeit danken! Versuchen Sie bitte, mit all diesem Engagement Vertrauen, wo es verloren geht, wieder zurückzugewinnen! Gerade in diesen Zeiten ist das wichtiger denn je. – Vielen Dank!