Wahlrechtsreform: Klarheit, statt Chaos

Am 10. April 2025 habe ich im Abgeordnetenhaus zum Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform gesprochen – ein Thema, das weit mehr ist als bloße Formalie. Denn das Vertrauen in demokratische Wahlen steht auf dem Spiel. Während die Schwarz-Rote Koalition zentrale Empfehlungen der Sachverständigen ignoriert und den interfraktionellen Konsens aufgekündigt hat, setzen wir Grüne uns für ein Wahlrecht ein, das wirklich trägt: unabhängig, rechtssicher und transparent. Wer demokratische Prozesse schützen will, darf nicht auf halbe Lösungen setzen, sondern auf echte Verantwortung.

Plenarprotokoll 19/65

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Landeswahlleiter Bröchler!

Bei der Durchführung der Wahlen 2021 hat sich Berlin wahrlich nicht von seiner besten Seite gezeigt. Falsche Stimmzettel, lange Schlangen vor den Wahllokalen, teilweise bis weit nach 18 Uhr.

Allen hier im Haus ist klar, ein solches Wahlchaos darf sich nicht wiederholen. So weit haben Sie sogar recht, Herr Schlüsselburg! Das Wahlrecht ist das Fundament der Demokratie, doch wenn es in Berlin bei den Wahlen genügend Prozesse gibt, die nicht funktionieren, müssen sie funktionieren. Da ist aber auch die Einrichtung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe eine richtige Weichenstellung. Ich möchte betonen, wir haben zwischen den demokratischen Fraktionen konstruktiv zusammengearbeitet. Dafür gilt mein besonderer Dank an dieser Stelle den Kollegen Dörstelmann, Herrmann, Schlüsselburg und Schrader.

Doch leider ist die Koalition kurz vor Ende von einem interfraktionellen Gesetzentwurf abgesprungen und hat die Ergebnisse der Arbeitsgruppe ganz für sich reklamiert. Ich bedauere das wirklich, denn gerade das Wahlrecht gewinnt seine Legitimation nicht allein durch die regierende Mehrheit, sondern vor allem dann, wenn es von der Breite unseres Parlaments getragen wird. Es ist daher auch schade, dass Sie unter dem Vorwand der Eilbedürftigkeit keine Vorschläge aus der Sachverständigenanhörung mehr aufgenommen haben.

Meine lieben Kollegen der Koalition! Ich bin Ihre Beratungsresistenz ja aus dem Innenausschuss gewohnt, an der Stelle wäre allerdings deutlich mehr drin gewesen.

Unsere Zustimmung als Fraktion machen wir daher von unserem eingebrachten Änderungsantrag abhängig. In der Sachverständigenanhörung wurde angeregt, die Landeswahlleitung anstatt vom Senat vom Abgeordnetenhaus wählen zu lassen – genauso wie ein Vortragsrecht gegenüber unserem Haus zu gewähren. Wir greifen sogar die Forderung des Bezirksstadtrats aus Charlottenburg-Wilmersdorf, wohlgemerkt CDU, auf, dass auch die Bezirkswahlleitungen eine angemessene Entschädigung erhalten sollen. Gerade diese essenzielle Aufgabe, die oftmals von den Rechtsamtsleitungen als Zugleichaufgabe wahrgenommen wird, hätte eine zusätzliche Wertschätzung verdient.

Wo die Innenverwaltung stur geblieben ist und auch den Koalitionsfraktionen leider keinen Spielraum gelassen hat, das ist das Durchgriffsrecht des Senats auf die Wahlorgane – die sogenannte Rute im Fenster der Innenverwaltung gegenüber dem Landeswahlleiter. Ich muss an der Stelle ehrlich sagen, dieses Verständnis irritiert mich. Gerade die Unabhängigkeit der Wahlorgane ist entscheidend, damit die Integrität der Wahlorganisation und -durchführung gesichert ist. Dann stellen Sie sich vor, bei Frau Spranger habe ich da keine Sorge – was eine Rute in der Hand von Autokraten für ein Chaos anrichten könnte!

Die Unabhängigkeit der Wahlorgane zweifelt zumindest unter den Demokratinnen und Demokraten niemand an. Das ist auch explizit im Gesetzentwurf, den wir erarbeitet haben, als Grundvoraussetzung genannt. Die Frage ist aber: Wie stark sind diese Regelungen auch rechtlich abgesichert? Wenn wir genau auf diesen Punkt eingehen, haben wir bereits in diesem Gesetzentwurf ein Schlichtungsverfahren eingebaut – beziehungsweise ein Verfahren, das bis vor den Verfassungsgerichtshof führen kann, sollten sich der Landeswahlleiter, die Bezirkswahlleitungen und beispielsweise die Innenverwaltung in einer Sache nicht einig sein. Das ist an der Stelle aus meiner Sicht ausreichend und abschließend geregelt, genauso wie Sie bereits für die reinen Verwaltungstätigkeiten einen Verweis auf § 8 AZG, die bezirkliche Fachaufsicht, mit drin haben. Deshalb braucht es diese angesprochene Regelung mit dem Durchgriffsrecht nach § 13a AZG einfach schlichtweg nicht. Darauf hätte man in diesem Gesetz verzichten können.

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an – es ist ja gut und richtig, dass die Unabhängigkeit auch verfassungsrechtlich und am Ende verfassungsgerichtlich abgesichert ist. Wir als Gesetzgeber könnten aber auch Gesetze schreiben, aus denen das ganz eindeutig und klar hervorgeht. Ich glaube, es braucht es da nicht, damit wir genau das haben, was Sie gesagt haben – nämlich eine unabhängige, von Bürgerinnen und Bürgern organisierte Wahl, bei der die Exekutive zurücktritt, so auch die Sachverständigen im Innenausschuss. Damit wäre das mit der Rute im Fenster noch mal genauer erklärt – für alle, die die tief juristische Diskussion interessiert.

Ich glaube, unabhängig davon, dass das jetzt in dem Gesetz stehen wird, sind wir alle da in der Pflicht, dass das Wahlrecht auch im Worst Case funktionieren muss. Ich persönlich hoffe, dass diese Schwachstelle nie ausgenutzt wird. Da sind wir alle in der Pflicht – der Senat, aber dann auch wir als Parlament, welches die Regierung kontrolliert.

In diesem Sinne – in diesem Gesetz steht auch viel Gutes. Wir werden uns nur enthalten können, aber wir hoffen, dass das mit den Wahlen dann auch besser klappt.

Liebe Frau Spranger! Einen letzten Satz habe ich trotzdem noch: Erinnern Sie sich noch, als Stefan Evers im Jahr 2023 täglich gefragt hat: Ist Herr Geisel noch im Amt? – Da hat nämlich die Innenverwaltung gesagt, mit der Wahlorganisation und -durchführung haben wir gar nichts zu tun. Sie sprechen hier gleich. Damit sollte aber auch klar sein: Die Innenverwaltung hat die politische Verantwortung für erfolgreiche Wahlen – aber auch dann, wenn sie nicht so erfolgreich verlaufen.

In diesem Sinne: Ich wünsche es uns allen – viel Glück, Frau Spranger! Vielen Dank!