Wer medizinische Hilfe braucht, muss sich auf den Rettungsdienst verlassen können. Doch seit Jahren steckt der Berliner Rettungsdienst im Ausnahmezustand. In meiner Rede zur längst überfälligen Reform des Rettungsdienstes kritisiere ich den Senat für seine Langsamkeit und seine halben Lösungen. Statt echter Entlastung, verbindlicher Bedarfsplanung und klarer Zuständigkeiten gibt es erstmal nur Ankündigungen auf dem Papier. Berlin braucht eine funktionierende Notfallversorgung, eine Personaloffensive im Rettungsdienst, eine bessere Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen und Mut zu echter Veränderung.
Plenarprotokoll 19/71
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist kein Geheimnis, eine grundlegende Reform des Rettungsdienstes ist überfällig. Wenn der Rettungsdienst allerdings so langsam unterwegs wäre, wie dieser Senat mit der Vorlage seiner Gesetze, dann wäre Berlin nicht mehr zu retten.
Nun liegt heute ein Gesetz auf dem Tisch, und ich muss sagen, ich war überrascht.
Die gesetzliche Festschreibung der Präventionsaufgaben des Rettungsdienstes, die Stärkung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung, die gesetzliche Verankerung einer regelmäßigen Rettungsdienstbedarfsplanung, die Überarbeitung der Beschickungsregel für Einsätze nach zeitlicher Dringlichkeit, der Einsatz von Telenotärztinnen und Telenotärzten, auch die rechtsichere ambulante Behandlung am Notfallort oder die Weitergabe an andere gesundheitliche Einrichtungen, die nicht zum Weitertransport in die ohnehin überlasteten Rettungsstellen führt, das sind alles gute und richtige Vorhaben.
Sie stehen in diesem Entwurf, Herr Matz, aber wissen Sie, ich habe sie noch woanders gefunden, nämlich in einem Positionspapier, und zwar unserer Fraktion, aus dem Jahr 2022, dem Jahr des Dauerausnahmezustandes des Rettungsdienstes.
Nun könnte ich natürlich sagen, wir waren einfach nur unserer Zeit voraus, aber wenn ich ehrlich bin, trifft viel eher zu: Sie sind der Zeit hinterher, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition.
Das stand bei uns trotzdem drin. Auf Lobeshymnen sollten Sie daher lieber verzichten, denn diese ganzen sinnvollen Ansätze müssen erst mal mit Leben gefüllt werden, und so einige Ihrer Versprechen werden sich nicht alleine durch Beschluss eines Gesetzes erfüllen.
Eine Entlastung durch die bessere Priorisierung von eil bedürftigen und nicht eilbedürftigen Einsätzen wird in der Praxis nämlich bereits vollzogen und lediglich rechtlich abgesichert. Mehr Entlastung findet an dieser Stelle gar nicht statt.
Darüber hinaus verkaufen Sie es als großen Wurf, dass die Feuerwehr keine Krankentransporte mehr übernehmen wird. Natürlich soll der Rettungsdienst keine Krankentransporte übernehmen. Da sind wir uns auch einig.
Sie werden allerdings nicht einfach die Verantwortung von sich schieben können, wenn es dort keine aus reichenden Kapazitäten gibt, denn auch wenn Krankentransporte nicht Teil der Aufgaben der Berliner Feuer wehr sind, so sind sie Teil der rettungsdienstlichen Versorgung, und die Sicherstellung einer bedarfs- und fachgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes liegt in der Verantwortung der Innenverwaltung. Das steht im Übrigen in § 2. Damit haben wir nichts zu tun, das kann also nicht gelten.
Wir müssen die Krise im Gesundheitssystem und der Notfallversorgung nicht so lösen, indem jeder die Verantwortung an andere ausgelagert. Es braucht eine bedarfsgerechte Patientinnen- und Patientensteuerung, da mit jeder und jede die passende Hilfe erhält. Und das gelingt nur, wenn wir das Verständnis mal dahingehend überarbeiten, dass alle Beteiligten im Gesundheitswesen diese Verantwortung wahrnehmen.
Von Ihnen kommt jetzt ja auch im Gesetz das Bekenntnis zu einer zentralen Krankentransportleitstelle. Herr Matz hat es jetzt schon wieder gekippt, dass das überhaupt nicht kommt. Das wundert mich nicht. Im Haushalt war dafür auch kein Geld vorgesehen. Ich wollte sagen, wir hoffen, dass es nicht nur eine Leitstelle auf dem Papier bleiben wird.
Sie haben es gesagt, sie wird nur auf dem Papier bleiben; genauso übrigens wie die Stärkung der Prävention. Schau an! Selbst den vagen Ansatz im Haus halt haben Sie im Senat einfach rausgestrichen. Dabei würden gerade Kriseninterventionsteams nicht nur den Rettungsdienst, sondern auch die Polizei in schwierigen Fällen mit Menschen in psychischen Ausnahmezuständen entlasten und gleichzeitig die Bewältigung solcher Lagen verbessern.
Und last but not least: Endlich finden wir in diesem Gesetz eine gesetzlich verankerte Rettungsdienstbedarfsplanung. Sie erinnern sich ja auch noch alle dran: Der Rechnungshof, der ja eigentlich sonst immer zum Sparen mahnt, hat uns gesagt: Es fehlen 1 000 Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter beim Rettungsdienst.
Eine Bedarfsplanung sollte ja nicht dafür da sein, dass man Fehler erst bemerkt, wenn es zu spät ist, sondern besser vorher. Und da bin ich dann doch darüber gestolpert, dass Sie in den Gesetzentwurf reingeschrieben haben: Diese Bedarfsplanung wird unabhängig erstellt, aber der Senat darf sie dann nach eigenem Gusto überarbeiten. Kurz gesagt, eine Innenverwaltung, die im Zweifel keine Probleme sehen will, kann sich das dann zukünftig auch schönschreiben.
Deshalb muss uns klar sein: Der Rettungsdienst wird weiter ein Sorgenkind bleiben, solange uns die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter auf den Rettungswagen fehlen.
Seit drei Jahren also kündigt die Innenverwaltung die große Reform an. Aus dieser Reform droht, wenn sie nicht vernünftig umgesetzt wird, ein Reförmchen zu werden. Und deshalb ist das hier auch kein Grund, einen Schlussstrich zu ziehen, auch nicht für diese Legislatur, sondern ein Grund, sich jetzt ans Werk zu machen.
Denn wenn es jemand verdient hat, gerettet zu werden, dann ist es der Berliner Rettungsdienst. -Vielen Dank!
