Rede zur Silvesterdebatte 2o24/2025

Plenarprotokoll 19/59

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zur alljährlichen Silvesterdebatte. Die einen zeigen mit dem Finger auf Menschen mit dem falschen Aussehen oder Vornamen, die anderen übertreffen sich in der Rhetorik nach Härte und Strafen. Herzlich willkommen zur Fortsetzung des Böllerwahnsinns im Parlament. Während sich Berlin fragt: Warum ändert sich nichts?

Für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst ist die Silvesternacht die schwierigste und gefährlichste Nacht des Jahres. Jedes Jahr wieder werden Einsatzkräfte beschossen, angegriffen und verletzt. 

Wenn im Polizeifunk eine Pyro-Eskalation nach der anderen durchläuft, wenn es an jeder Ecke knallt, wenn man im Einsatzfahrzeug jederzeit damit rechnen muss, dass aus irgendeiner Ecke ein Böller geflogen kommt, dann ist nicht nur die Stadt in Gefahr, sondern in erster Linie die Sicherheit derjenigen, die für unsere Sicherheit sorgen. 

Sie halten den Kopf hin für eine völlig aus der Zeit gefallene Tradition. Im Namen meiner Fraktion möchte ich allen Einsatzkräften für ihre Bereitschaft und ihren Einsatz danken. Erst recht wünsche ich denjenigen, die nicht unverletzt den Dienst für unser aller Sicherheit beendet haben, eine möglichst rasche und vollständige Genesung. 

Aber es sind ja nicht nur die verletzten Einsatzkräfte, weshalb endlich gehandelt werden muss. 

Unter dem Hashtag #Böllerschmerz lieferte das Unfallkrankenhaus Berlin einen Einblick in das, was Böller beabsichtigt oder unbeabsichtigt an Leid verursachen. Berlinweit knapp 400 Verletzte, nur durch Glück zumindest in Berlin keine Toten. 

Alle, die das Silvesterchaos vollständig erfassen, müssen anerkennen: Es sind nicht nur die illegalen Böller. Sie treiben zwar das Böllerchaos auf die Spitze, aber das Problem ist und bleibt vor allem, dass für den vermeintlichen Spaß an einem Tag im Jahr an jeder Ecke Sprengstoff legal erhältlich ist. 

Das zeigt auch die Bilanz der Feuerwehr: 825 Brände in 12 Stunden, jede Minute ein neuer Brand, der Notruf schrillt im Sekundentakt. Feuerwehr, Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienst fuhren dieses Jahr an der absoluten Belastungsgrenze. Heißt ganz konkret: Mehr geht nicht, danach ist Schluss. Höchste Zeit, dass sich was ändert. 

So, wie es ist kann es nicht bleiben. Mit diesen Worten hat Kai Wegner nach den Silvesterkrawallen 2023 im Wahlkampf Sicherheit versprochen. Letztes Jahr hat er die Nacht der Repression ausgerufen. Dieses Jahr ein hartes Vorgehen. Markige Worte Herr Bürgermeister!

Und seit der Neujahrsnacht fängt das ganze von Vorne an: So wie es ist kann es nicht bleiben. 

Gerade angesichts Ihrer Verweigerungshaltung in der Frage um ein Böllerverbot bleibt jeder ihrer Sätze eine reine Phrase. Mit Phrasen windet man sich vielleicht aus der Debatte, aber Phrasen schaffen keine Sicherheit.

Herr Wegner, an einer Stelle haben Sie recht: Der überwiegende Teil der Menschen geht verantwortungsvoll mit Feuerwerk um. Das ändert jedoch rein gar nichts an dem Leid, das die irrsinnige Böllerei mit sich bringt. Das können Sie doch nicht einfach wegwischen, als wäre nichts passiert. Ob Absicht oder Unfall, am Ende schadet das Ausmaß der Verwüstung der ganzen Stadt. Auch kein Wunder, der Landesbranddirektor hat es so richtig wie einfach gesagt: „Feuerwerk gehört in die Hände von Profis.“ Wo er recht hat, hat er recht, meine Damen und Herren. 

Das vermeintliche Recht zur Böllerei hat nichts mit Freiheit zu tun. Berlin ist an Silvester nicht die Stadt der Freiheit. Zur Silvesterrealität in der Stadt gehört nämlich auch, dass Menschen, ob alt oder jung, sich nicht mehr trauen, rauszugehen. Familien haben Angst um ihre Kinder, für Asthamtiker wird die Luft draußen lebensgefährlich dünn. 

Und auch für Berlins Tierwelt ist Silvester schlicht die schlimmste Nacht des Jahres. Wildtiere kriegen Panik, Igel erwachen aus ihrem Winterschlaf, Vögel fallen vom Himmel. Und auch Hund, Katze und Meerschweinchen drehen am Rad. Für Tierliebhaber heißt es daher, direkt raus aufs Land oder ins Motel am BER, Hauptsache weit weg von allem was knallt. Mit Freiheit hat das nichts zu tun, mit Vernunft erst recht nicht. Warum ändert sich also nichts? 

Mit dem Ende der ungehemmten Böllerei wäre ein sicheres Silvester für Mensch, Tier und Umwelt möglich. 

Doch stattdessen brüllen diejenigen, die nicht in der Lage sind Ursache und Wirkung zu unterscheiden, nach Grenzkontrollen oder Abschiebungen. Ich bin es wirklich Leid, dass mittlerweile für jedes Problem in dieser Stadt, die Lösung in ritualisierten von Rassismus getriebenen Debatten gesucht wird.

Mir ist egal, ob Straftäter Ronny oder Mohammed heißen. Es ist für die Verfolgung von Straftaten absolut irrelevant, ob Ali hier geboren ist oder eine Mutter aus der Türkei und einen Vater aus Deutschland hat. Es ist für die Verfolgung von Straftaten völlig irrelevant, ob jemand eine oder zwei Staatsbürgerschaften hat. 

Die Herren von der AfD! Wenn Sie sich so sehr für Vornamen interessieren: Der deutsche Polizist, der beinahe sein Bein verloren hat, heißt Cem, und Cem ist mehr Berliner, als Sie es je sein könnten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können etwas ändern. Ich weiß, der Senat hat noch keine gemeinsame Meinung, deshalb hat meine Fraktion für Sie einen Antrag vorgelegt, um wirksame Konsequenzen aus der Silvesterdebatte im Parlament zu ziehen. Sie können jetzt beweisen, ob sie sich voll und ganz hinter die Forderungen von Feuerwehr, Polizei, Ärztekammer, Umwelthilfe und der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung stellen, und ein Verkaufsverbot auf die politische Prioritätenliste setzen – oder ob sie nichts tun. 

Eine Person im Senat möchte ich bestärken – und das habe ich glaube ich hier noch nie gemacht. Frau Innensenatorin Spranger, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie klare Worte gefunden haben und sich sehr deutlich für eine Länderöffnungsklausel einsetzen. Mir ist bewusst, es braucht auch Mehrheiten im Bund.

Sie müssen sich allerdings auch bewusst sein. Mehr Verbots- und Erlaubniszonen schaffen keine Befriedung, solange an jeder Ecke legal Sprengstoff vorhanden ist und man sich für tausende von Euro mit Böllern eindecken kann. Sprengstoff mit dem man halb Berlin in die Luft jagen könnte. 

Wenn wir uns ehrlich machen, wissen wir: Effektiv ist nur ein Verkaufsverbot. Es ist doch absurd, dass wir an einem Tag im Jahr erlauben, was an den anderen 364 Tagen im Jahr zurecht nicht erlaubt ist. 

Ein sicheres Silvester in Berlin ist möglich, wenn wir denn wollen. Warum verlieren wir den Anschluss an andere Metropolen, die bereits mit Drohnen- und Lasershows farbenfrohe Spektakel in die Luft zaubern und wo ein friedlicher Start in das neue Jahr eine Selbstverständlichkeit ist. Sollte nicht genau das, das zukünftige Bild der Berliner Silvesternacht sein?

Herr Regierender, Sie haben es in der Hand.

Ergreifen Sie jetzt das Wort für ein Böllerverkaufsverbot im Bund. Machen Sie ein sicheres Silvester zur Priorität. Und wenn Sie es schon nicht für Mensch, Tier und Umwelt machen wollen, dann machen sie es als klares Signal an alle Einsatzkräfte. Ein klares Signal an alle Einsatzkräfte, genau das haben Sie im Wahlkampf 2023 versprochen. Wenn das mehr als eine Phrase war, dann machen Sie das Versprechen heute wahr und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.