Grüne Innenpolitik macht den Unterschied

Der 26. September wird eine Klimawahl, denn die Zeit rennt. Unaufhaltsam und ohne Rücksicht auf politische Befindlichkeiten. Als Direktkandidat für den Friedrichshainer Nordkiez, dem Wahlkreis 5, möchte ich auf ein weiteres, essentielles Themenfeld in der Berliner Landespolitik aufmerksam machen: Wir wollen nicht nur alles dafür tun, das Klima zu retten, wir kümmern uns genauso um das gesellschaftliche Klima.

Als Innenpolitiker möchte ich im nächsten Abgeordnetenhaus dazu meinen Beitrag leisten. Denn gleichzeitig zu den Entwicklungen und Folgen der Krisen unserer Zeit, ob Corona oder Klimawandel, erleben wir trotz vieler positiver gesellschaftlicher Fortschritte einen massiven Rechtsruck. Einen Angriff auf unsere vielfältige, offene Gesellschaft, auf Gleichberechtigung und auf unsere plurale Demokratie. Ich verstehe Innenpolitik als Gesellschaftspolitik und möchte diesem Angriff auf unser Zusammenleben eine andere Innenpolitik entgegensetzen – eine grüne Innenpolitik.

Eine andere Innenpolitik ist möglich – und notwendig!

Gerade in einer Zeit, in der sich Krisen zuspitzen, in denen radikale Kräfte Zuwachs gewinnen und politische Debatten von Polarisierung geprägt sind, kommt der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts eine wesentliche Bedeutung zu. Doch vor allem in der Innenpolitik erkennen wir stets die gleichen Muster: Es wird zwar immer gerne vom vielfältigen und offenen Berlin geredet, in der politischen Umsetzung bleibt dies jedoch oftmals nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis. Gerade in unserer Stadt müssen alternative, linke, queere und emanzipatorische Lebensformen Platz haben und das nicht nur in Werbebroschüren oder Präambeln von Koalitionsverträgen. Doch was auf Probleme oder Herausforderungen, die es ohne Zweifel gibt, stets als Reaktion kommt, ist der Ruf nach mehr: mehr Polizei, mehr Kompetenzen, mehr Aufrüstung! Ich bin überzeugt: Statt Law-and-Order-Fantasien benötigen wir einen strukturellen Wandel, von der Verwaltung über die Polizei bis zum Verfassungsschutz.

Die Vielfalt dieser Stadt muss Tag für Tag gelebt werden. Dazu braucht es eine Politik, die die richtigen Rahmenbedingungen und Schwerpunkte setzt. Statt Scheindebatten über Antifa-Verbote, die sogenannte Clankriminalität und die Beobachtung von Ende Gelände durch den Verfassungsschutz braucht es einen geschärften Fokus auf Rassismusbekämpfung, Antidiskriminierung, die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft und ein gezieltes Vorgehen gegen organisierte Kriminalität und rechte Strukturen – auch und besonders innerhalb von Verwaltung und Sicherheitsbehörden.

Noch immer sehen sich von Rassismus Betroffene, zivilgesellschaftliche Akteure und marginalisierte Gruppen mit der Delegitimierung ihrer Rechte konfrontiert – sei es aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Kopftuchs, ihrer Kippa, ihrer sexuellen Identität, ihrer Herkunft oder ihres Namens. Ausschlussmechanismen greifen bereits im Kontakt mit der Verwaltung, beim Zugang zu Arbeit, Wohnraum oder der Gesundheitsversorgung. Rechtlich, wirtschaftlich, sozial – hier ist die Politik gefragt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese oftmals strukturell verfestigten Ungerechtigkeiten aufbrechen können. Der Staat muss als Vorbild vorangehen. Gerade als Verwaltungswissenschaftler weiß und erlebe ich, wie wichtig es ist, die Verwaltung mitzunehmen. Sie ist ein entscheidender Faktor für gelebte Offenheit, die über das politische Bekenntnis hinaus trägt. Besonders stark betrifft das die Sicherheitsbehörden.

Was bedeutet das konkret für Berlin?

Rot-Rot-Grün hat erkannt, dass die bunte und vielfältige Zivilgesellschaft in Berlin ein Garant für die Bildung gemeinsamer freiheitlicher Werte, demokratische Partizipation und Teilhabe und das Adressieren von berechtigter und benötigter Kritik im politischen und gesellschaftlichen Diskurs ist. Die Initiativen, Beratungs- und Erfassungsstellen und Interessenverbände unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen sind das Rückgrat der Berliner Stadtgesellschaft. Diese gilt es durch ein Landesdemokratiefördergesetz sowie den Ausbau von Beteiligungs- und Dialogformaten mit staatlichen Institutionen und Sicherheitsbehörden zu stärken.

Besorgniserregend ist auch in Berlin die Verharmlosung des Gefährdungspotenzials und die Verstrickung zwischen Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden und rechtsextremen Akteuren. Solche Fälle wurden über die Veröffentlichung von Chatgruppen oder durch die Weitergabe von Dienstgeheimnissen aus der Berliner Polizei oder des Verfassungsschutzes mehrfach publik. Auch immer wiederkehrende rassistische Vorfälle, von Racial Profiling bis hin zu körperlicher Polizeigewalt, müssen in den Blick genommen werden. Daher braucht es nicht nur eine Berliner Polizeistudie, sondern auch eine Enquetekommission zu rechten und rassistischen Strukturen in Verwaltung und Sicherheitsbehörden. Ziel soll sein, diskriminierende Strukturen zu identifizieren und institutionelle und zivilgesellschaftliche Handlungsempfehlungen zu erarbeiten und umzusetzen. Dabei geht es nicht, wie oftmals hoch emotional debattiert, um einen „Generalverdacht“, es geht vielmehr darum Vertrauen in die staatlichen Institutionen (wieder) herzustellen und zu stärken. Und zwar für alle Menschen, die hier leben. Nur mit einer ernsthaften Fehlerkultur lässt sich Vertrauen bilden und erhalten.

Und nicht zuletzt braucht es eine Reform des Verfassungsschutzes. Von der Aufarbeitung des Attentates auf dem Breitscheidplatz bis zu den Versäumnissen bei der rechten Anschlagsserie in Neukölln: Auch in jüngster Vergangenheit wurde der Verfassungsschutz seinen Aufgaben nicht gerecht. Dieser ist nicht, wie eigentlich gedacht, als Organ in Erscheinung getreten, das Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung früh erkennt, sondern erweist sich immer wieder als undurchsichtige, selbst für das Parlament intransparente und eigenmächtig agierende Blackbox ohne klare Zielsetzung und mangelhafter Kontrolle. Hier bedarf es einer Reform, die zwar mehrfach angekündigt und sogar im letzten Koalitionsvertrag verankert wurde, bisher aber in der Umsetzung scheiterte. Es geht darum, den Schutz der verfassungsrechtlich verbrieften Rechte und Werte tatsächlich in den Mittelpunkt zu stellen. Hierfür braucht es klarere Aufgabendefinitionen, Kompetenzbegrenzungen und eine umfassende parlamentarische und öffentliche Kontrolle.

All das sind Bausteine, die Berlin zu einer offenen und vielfältigen Stadt der Freiheit machen und gleichzeitig Sicherheit bieten, und zwar für alle Menschen, die hier leben. Und darauf kommt es an. Vor uns liegt eine Zeit radikaler Umbrüche und gesellschaftlicher Veränderungen. Unser Anspruch muss es sein, diesen Wandel solidarisch, sozial und gerecht zu gestalten. Dafür möchte ich mich als Vertreter im Parlament stark machen.

Dieser Beitrag ist in der Grünen Bezirkszeitung für Friedrichshain-Kreuzberg, dem “Stachel” (Ausgabe 70) erschienen. Die vollständige Ausgabe findet sich hier.

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