Rede zur Rechtsgrundlage zum Einsatz von Tasern

Plenarprotokoll 19/7

24. Februar 2022

Vasili Franco (GÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach den bisherigen Reden könnte man ja fast
den Eindruck bekommen, dass Distanzelektroimpulsgeräte – auch ich werde sie der Einfachheit halber „Taser“
nennen – unabkömmlich für das Polizeihandeln sind, aber diese Auffassung muss ich jetzt leider trüben, denn so
einfach, liebe CDU, ist es nicht, wie Sie es darstellen.
Zunächst zu den Fakten: Auch sie wurden schon genannt, Polizeiabschnitte 53 und 57 jeweils mit zehn Tasern, die
BPE mit acht Tasern, und auch das Spezialeinsatzkommando der Polizei benutzt diese Geräte übrigens bereits
seit 2001. Insgesamt sind 69 Dienstkräfte für die Anwendung geschult. Nun wurde 2017 der Probelauf bei der
Berliner Polizei gestartet. Der wurde nun übrigens bis Ende 2022 verlängert. Und nun können Sie sich, Herr
Balzer, darüber beschweren, dass dieser Probelauf ziemlich lange dauert. Da haben Sie ja recht, aber das hat auch
seine Gründe. Wir reden hier nämlich über nichts anderes, als der Polizei eine weitere Waffe an die Hand zu
geben.
[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Ich kann Ihnen ehrlich sagen, mir sind weniger Waffen immer lieber als mehr Waffen.
[Beifall bei den GRÜNEN –Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Wenn wir nun aber darüber diskutieren, ob wir eine zusätzliche Waffe anschaffen, dann machen wir das nicht
planlos oder weil jemand laut schreit oder man tolle persönliche Erfahrungen damit hat. Das kommt nur in Betracht, wenn es hierfür eine valide Grundlage gibt, und diese gibt es für den Einsatz von Tasern so nicht.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?
Vasili Franco (GRÜNE):
Vielen Dank! Ich verzichte heute auf Zwischenfragen. – Sie müssen mir das auch nicht glauben, aber ich muss Sie
enttäuschen, ich stehe auf der Seite der Zahlen bzw. stehen die Zahlen auf meiner Seite. In Berlin haben wir seit
2017 gerade eine Handvoll Auslösungen und ungefähr doppelt so viele Androhungen erlebt. Ja, glücklicherweise
traten in Berlin bisher keine Komplikationen beim Einsatz von Tasern auf. Aber wenn Sie jetzt sechs Fälle als ausreichend für eine valide Datengrundlage ansehen, würden Sie mit Sicherheit durch jede Erstsemesterstatistikklausur fallen.
[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]
Und darüber hinaus vorliegende Studien und Erprobungen in anderen Ländern oder Bundesländern, anders als
hier vorgetragen, geben eben kein klares Bild.
Sie merken, wir Grüne haben grundsätzlich eine skeptische Haltung zum Taser und, wie ich finde, zu Recht.
Aber es wird auch nicht besser, wenn wir uns nun den vorgelegten Gesetzentwurf der CDU anschauen. Derzeit
fällt der Taser – er ist übrigens geregelt in Ausführungsvorschriften des Gesetzes über unmittelbaren Zwang – in
die Kategorie Schusswaffe. Dieses wollen Sie nun ändern, und ich habe damit ein Problem. Wenn Sie in Ihrem
Entwurf gerade hervorheben, dass der Taser statt der Schusswaffe verwendet werden soll, gleichzeitig aber die
Anforderungen im Vergleich zur Schusswaffe senken, dann schaffen Sie doch rechtlich genau das, was verhindert werden soll, nämlich die Senkung der Hemmschwelle zum Einsatz des harmloseren Tasers. Damit konterkarieren Sie mit Ihrem Gesetzentwurf Ihr eigens formuliertes Ziel.
[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Niklas Schrader (LINKE)]


– Ja, vielen Dank! – Übrigens ist der Taser auch nicht so harmlos. Sechs Menschen, Herr Schreiber hat es auch
angesprochen, sind allein in Deutschland seit 2018 durch die Anwendung gestorben. Besonders gefährlich ist der
Taser beispielsweise bei Menschen unter Einfluss von Alkohol oder Drogen, und das ist ein Dilemma. Das sind
genau die Menschen, die im Einsatz nicht ansprechbar sind, die Sie aber, liebe CDU, hier genannt haben, gegen
die der Taser in erster Linie eingesetzt werden soll. Das können Sie bis jetzt nicht auflösen. Es ist auch schön und
gut, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf den Einsatz gegen Schwangere oder Menschen mit Vorerkrankungen des
Herz-Kreislauf-Systems gesetzlich ausschließen wollen. Aber damit stellen Sie unsere Polizistinnen und Polizisten
vor eine unlösbare Aufgabe. Wie sollen diese durch Sichtkontakt Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkennen?
Vielleicht können Sie diese Techniken – wir gehen ja in die Beratung im Innenausschuss – mal vorführen. Ich bin
da zumindest sehr gespannt.
Man kann sich über das Für und Wider streiten. Wir Grüne sind auch offen für die Sachdebatte, aber Schnellschüsse machen wir nicht, erst recht nicht, wenn es um Waffen geht.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Lassen Sie mich zum Abschluss noch sagen: Sie versuchen, sich hier auch als großer Fürsprecher der Polizei
darzustellen, und sind nicht zurückhaltend, laute Forderungen zu erheben. Das sei Ihnen auch unbenommen.

Aber wir als Koalition stehen für eine evidenzbasierte Innen- und Sicherheitspolitik. Dazu haben wir uns im
Koalitionsvertrag verpflichtet, und dem werden wir nachkommen. Wir sind es, die auf Fakten schauen, die erst
abwägen, bevor wir Entscheidungen treffen. Seien Sie auch versichert, dabei achten wir genauso darauf, dass
wir den Polizistinnen und Polizisten die richtigen Mittel und genauso auch die Fähigkeiten an die Hand geben,
damit sie in ihren Einsätzen sich selbst und die Berlinerinnen und Berliner bestmöglich schützen können. – Ich
danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]