Rede zur geplanten Einzäunung des Görlitzer Parks durch Ersatzpolizeirecht

Plenarprotokoll 19/51

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Erinnern Sie sich an Horst Seehofer? Der sagte einst, man muss Gesetze kompliziert machen, dann fällt es nicht so auf. Die Koalition macht mit der heutigen Änderung des Grünanlagengesetzes dem Seehofer alle Ehre. In Wahrheit geht es nicht etwa um den Schutz von Grünanlagen oder der Stadtnatur, sondern um eine Lex Görlitzer Park, denn Kai Wegner will einen Zaun um den Görli.

Argumente hat er dafür zwar nicht, geht dafür aber gerne mit Fake News spazieren, vom unsichtbaren Zaun in New York, von ausgedachter Kinderprostitution bis hin zur Behauptung, es würden 72 000 Einsatzkräftestunden der Polizei frei werden, obwohl wir alle und auch die

Innensenatorin wissen, dass das nicht stimmt. Damit der Traum des Regierenden vom Zaunkönig wahr werden kann, will er das Grünanlagengesetz ändern, denn Einzäunen und Abschließen gibt das Gefahrenabwehrrecht im Polizeirecht schlicht nicht her.
Sie selbst wissen es wohl, jedes Gericht würde Ihnen eine Parkschließung zur Gefahrenabwehr auf Grundlage des Berliner Polizeigesetzes um die Ohren hauen, wäre es anders, brauchten Sie nicht diesen Umweg über das Grünanlagengesetz. Und obwohl wir aus der Opposition bereits in der ersten Lesung vor dieser wackeligen Regelung gewarnt haben, missbraucht die Koalition nicht zuletzt mit der kurzfristigen Änderung im Umweltausschuss das Grünanlagengesetz als Ersatzpolizeirecht, und das alles nur für einen Zaun. Das ist ein Skandal.
Sie müssten eigentlich auch wissen, dass Einzelfallgesetze verfassungsrechtlich verboten sind; wenn es aber um den Görlitzer Park geht, biegt sich die CDU Gesetze bis an den Rand der Verfassungswidrigkeit oder vielleicht sogar darüber hinaus zurecht.
Einfach weil sich ein Park an einem kriminalitätsbelasteten Ort befindet, sollen künftig Grundrechte Tausender friedlicher parknutzender Anwohnerinnen und Anwohner und Besucherinnen und Besucher eingeschränkt werden. Der Wunsch nach Sicherheit heiligt nicht jedes Mittel, vor allem, wenn die Maßnahme nicht mal mehr Sicherheit schafft. Park zu, Kriminalität weg, das ist so einfach wie falsch. Das sagen selbst die bestehenden Kriminalstatistiken.

Vizepräsident Dennis Buchner:
Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen möchten, und zwar vom Kollegen Matz
aus der SPD-Fraktion.
Vasili Franco (GRÜNE):
Immer doch, Herr Matz, bitte schön!

Martin Matz (SPD):
Schönen Dank, Herr Kollege! Ich wollte gerne fragen, ob
Sie wissen, dass der Senat auf eine Anfrage des Abgeordneten Franco geantwortet hat, dass 55 von 135 jährlichen Gewalttaten im Görlitzer Park während der Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr stattfinden

Vasili Franco (GRÜNE):
Vielen Dank, lieber Herr Kollege Matz! – Ja, das weiß ich. Ich würde mir wünschen, Sie hätten die ganze Anfrage durchgelesen. Dort steht nämlich „schon jetzt“ drin. Schon jetzt finden zwei Drittel der Straftaten im KBO Görlitzer Park/Wrangelkiez nicht im Park selbst statt, sondern außerhalb. Wenn man sich die Nachtzeit mal genau anschaut und das ganze Gebiet drum herum
nimmt, finden 3 Prozent der Straftraten in diesem KBO nachts im Görlitzer Park statt.
Also wenn Sie sagen, dieser Zaun soll die Kriminalität bekämpfen, dann lügen Sie sich in die Tasche, und das wissen Sie auch. Dieser Zaun ist einfach nur Symbolpolitik.


Vizepräsident Dennis Buchner:
Herr Kollege! Wir machen gleich weiter, und ich frage, ob Sie auch eine Zwischenfrage der Kollegin Gennburg
zulassen würden.
Vasili Franco (GRÜNE):
Auch Frau Gennburg darf sich noch mal äußern.

Katalin Gennburg (LINKE):
Vielen Dank, Herr Franco! Können Sie noch mal was dazu sagen, was den Vorwurf anbelangt, das Gesetz sei
rechtswidrig, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt ist, weil man nämlich zum Beispiel im
Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der Maßnahme betrachtet?
Und können Sie uns auch sagen, warum Sie sich dann enthalten?

Vasili Franco (GRÜNE): Ich kann beides beantworten. – Wir werden uns heute nicht enthalten, wir werden gegen dieses Gesetz stimmen, und ich führe ja auch gerade aus, wieso. Schön, dass Sie juristische Nachfragen stellen! Immerhin scheinen Sie sich damit befasst zu haben. Natürlich kann man in Regelungen reinschreiben, was man erst mal will. Die Koalition schreibt in diese Regelung rein: Ein kriminalitätsbelasteter Ort eröffnet den Bezirken alle Möglichkeiten, die ihnen gerade einfallen. – Meine Güte, was ist denn das für eine Rechtsgrundlage? Selbst wenn diese Rechtsgrundlage nicht verfassungswidrig sein sollte, dann wissen Sie, und das sagt Ihnen auch die VG- und OVG-Rechtsprechung zu den Alkoholverboten, dann müssen Sie sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ganz genau anschauen, wie der Grundrechtsschutz gewährleistet wird. Wissen Sie, warum die Alkoholverbote gekippt worden sind? – Weil es eben dem nicht genügt, weil es die Grundrechte unverhältnismäßig einschränkt,
und genau das tun Parkschließungen auch, vor allem mit dieser hemdsärmeligen Argumentation dieser Koalition.


Ich dachte auch bisher, für die Verhinderung von Straftaten ist die Polizei zuständig und nicht die Grünflächenämter der Bezirke. Die wissen übrigens nicht mal, wo die kriminalitätsbelasteten Orte ihre Grenzen haben, da die Polizei diese ja nicht mal veröffentlicht. Warum, liebe Koalition, sollen eigentlich die ganze Zeit die Bezirke dafür herhalten, was CDU und SPD in der Kriminalitätsbekämpfung in den letzten Jahren nicht geschafft haben?
Aber vor allem: Warum ignorieren Sie die Ängste der Anwohnerinnen und Anwohner, die vor einer weiteren Verdrängung in die Kieze warnen? Was ist Ihre Antwort darauf, dass bei einem geschlossenen Park die Drogen einfach 100 Meter weiter vertickt werden? Was ist Ihre Antwort darauf, dass ein Zaun keinen Menschen aus der Abhängigkeit befreien wird? Sie geben für diesen Zaun, und das trotz Haushaltschaos, Millionen aus, während die Träger der Suchthilfe gerade um jeden Euro kämpfen müssen. Das ist ein Armutszeugnis Ihrer Symbolpolitik, liebe Koalition!
Deshalb, lehnen wir doch heute alle gemeinsam dieses Gesetz ab! Wenn Sie Grünanlagen schützen wollen, bringen Sie die Charta Stadtgrün auf den Weg, aber beerdigen Sie bitte dieses Millionengrab Zaunbau, bevor es die Gerichte tun werden! – Vielen Dank!