Rede zum Rettungsdienstgesetz

Plenarprotokoll 19/44

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer die 112 ruft, muss sich darauf verlassen können, dass Hilfe kommt, doch die traurige Realität ist: Die Aufrechterhaltung der Notfallversorgung in Berlin ist akut gefährdet. Im letzten Jahr wurden täglich im Schnitt elf Rettungswagen weniger besetzt als eigentlich vorgesehen. Der Rechnungshof mahnt uns, dass über
1 000 Stellen fehlen. Dazu kommt, ein Drittel der vorhandenen RTW ist nicht einsatzfähig. Der Patient Rettungsdienst hängt am Tropf, und es stellt sich die einfache Frage: Wer rettet eigentlich den Rettungsdienst? – Die Koalition ist es leider nicht.
Zwei Sachen will man nun eilig auf den Weg bringen. Zum einen soll der Notfallkrankentransport besetzt durch zwei erfahrene Rettungssanitäterinnen und -sanitäter dauerhaft verankert werden. Ich zitiere einfach mal Forderungen meiner Fraktion aus dem Jahr 2022: Eine Erweiterung der Besetzungsmöglichkeiten von Notfallkrankentransportwagen durch zusätzlich geschulte und erfahrene Rettungssanitäter*innen halten wir für zielführend und dauerhaft geboten.
Das war damals in diesem Hause nicht zu machen – interessant, dass es jetzt geht!
Aber als Erfolg sollte man verspätete Einsicht nun wirklich nicht verkaufen.

Lieber Herr Dregger! Ich muss Ihnen jetzt doch ein bisschen Wasser in den Wein gießen. Viel wichtiger ist nicht das, was Sie in das Gesetz hineinschreiben, sondern was Sie herausstreichen. Sie entfristen die Rettungsdienstabweichverordnung. Zur Erinnerung: Diese Abweichverordnung, die unter Rot-Grün-Rot noch vor der Wiederholungswahl auf den Weg gebracht wurde, sollte Luft verschaffen, zwei Jahre Luft, in denen Absenkungen bei der Qualität hingenommen werden, um in dieser Zeit den
Rettungsdienst etwas besser zum Laufen zu bringen. Vor der Wahl sollte laut SPD diesen Sommer eine umfassende Strukturreform für den Rettungsdienst vorliegen. Nun weiß ich ja, dass sich die neue Koalition nicht an die Zeitpläne der alten halten muss, aber dass Sie immer noch keinen einzigen Schritt weiter sind, kann dieses Mal wirklich nicht an Frau Gote liegen.

Jetzt verlängern Sie auf einen Schlag die Ausnahme von der Regel, und zwar bis sage und schreibe 2029! Da habe ich doch meinen geschätzte CDU-Kollegen Herrn Herrmann im Ohr. Er sagte damals hier im Plenum, ich zitiere: „Eine Ausnahmeregelung sollte eine Ausnahme sein für den Notfall.“ Was soll ich sagen? Recht hatte er! Doch nun machen Sie hier in der Regierung genau das Gegenteil. Sie machen die Ausnahme zum Dauerzustand. Diese Rolle rückwärts ist schlicht enttäuschend, da es sogar der Kollege Herrmann war, der uns vorgeworfen hatte, dass wir viel zu langsam wären. Ich kann mir das an dieser Stelle wirklich
nur so erklären: Offenbar ist es nicht nur der Regierende Bürgermeister, der gemerkt hat, dass es da mit einer Bestandsanalyse dann doch nicht so einfach ist.
Die Schritte, die notwendig sind, haben wir Grüne bereits im November 2022 in die Debatte gebracht. Sie hätten hier sogar einfach umsonst abschreiben können. Wir hätten es Ihnen nicht mal übelgenommen, ganz im Gegenteil. Wir brauchen endlich eine Personaloffensive für den Rettungsdienst und eine eigene Rettungsdienstlaufbahn. Schon heute ist ein Drittel der Ausbildungsplätze für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter nicht besetzt. Das heißt, Sie erreichen nicht mal Ihre eigenen
Ziele.
Das Rettungsdienstgesetz braucht eine umfassende Reform. Wir brauchen eine Bedarfsplanung, wie sie übrigens mehr und mehr Bundesländer verankern. Es braucht verbesserte Regelungen zur ambulanten Betreuung am Notfallort. Es braucht eine bessere Patientinnen- und Patientensteuerung, und es braucht eine Beschickung von Einsätzen nicht nach Schnelligkeit, sondern nach Priorität.
Wir sollten uns noch einmal vor Augen führen: 90 Prozent der Einsätze der Berliner Feuerwehr sind Einsätze des Rettungsdienstes. Dieser ist weit mehr als nur Beiwerk der Feuerwehr. Es ist auch an der Zeit, dass er die politische Priorisierung bekommt, die er verdient. Abschließend lassen Sie mich sagen: Im Sommer 2022 wurde uns versprochen: „Wir machen Tempo.“
2024 stehen wir noch nicht mal an den Startlöchern. Sie wissen, ich kenne mich auch sehr gut mit Blockaden aus, aber ich bitte Sie hier inständig, dass es endlich losgeht.
– Vielen Dank!