Rede gegen AfD-Antrag zu Tasern

Im Anschluss an meine Rede hat sich Christopher Förster (CDU) zu einer Zwischenintervention zu Wort gemeldet. Diese und meine Antwort darauf sieht man im Video unten.

Plenarprotokoll Rede:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Täglich grüßt das Murmeltier. Ich bin seit nicht einmal zwei Jahren Mitglied im Innenausschuss, und schon wieder reden wir über den Taser, als hätten wir keine anderen innenpolitischen Themen zu besprechen. Die Taktik der AfD an dieser Stelle ist durchschaubar, Herr Förster hat es gesagt. Die neue Koalition hat sich darauf geeinigt, den Tasereinsatz auszuweiten, und die Herren von rechts wollen die Koalition vor sich hertreiben.

Das ist der AfD an dieser Stelle sichtlich weder inhaltlich noch förmlich schwergefallen. Man nimmt eben so einen CDU Antrag, schreibt ihn ab, schreibt einfach Sätze um, schiebt sie hin und her – ein Antrag in großen Teilen von der CDU wortwörtlich abgeschrieben. Gratulation an alle, die sich gratuliert fühlen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, aber auch
lieber Herr Dregger, lieber Herr Matz! Vielleicht sollten Sie hinterfragen, ob Sie hier zukünftig wirklich Gesetzesanträge einbringen wollen, für die Sie von der AfD tosenden Applaus erhalten werden. Legen Sie Ihre Scheuklappen ab. Der Taser ist nämlich keine zentrale Frage für die Zukunft der Polizei. Aber liebe Koalition, auch aus der Opposition heraus gebe ich Ihnen gerne ein paar Argumente an die Hand, warum Sie diesen Antrag der AfD ablehnen dürfen.
Es wird immer gesagt, der Taser soll flächendeckend eingeführt werden, um den Einsatz von Schusswaffen zu verringern. Ich habe beim Senat erfragt, wie viele Personen im Jahr 2022 durch den Einsatz von Schusswaffen und Tasern verletzt wurden. Die Antwort: Es wurden zwei Personen durch Taser-Einsatz verletzt und fünf Personen durch den Einsatz einer Schusswaffe. Die Berliner Polizei hat jedes Jahr mehrere Hunderttausend Einsätze. Wer sich dieses Verhältnis vor Augen führt und dann immer noch zu der Meinung gelangt, es bräuchte jetzt unbedingt Tausende von Tasern, sollte sich noch mal das Prinzip der Verhältnismäßigkeit vor Augen führen.
Herr Dregger! Maß und Mitte haben Sie im Innenausschuss angekündigt.
Für mich klingt das eher nach überteuerten Placebos als nach verantwortlicher Politik.

Sie glauben mir nicht? Der Bezirk Neukölln kündigte gestern übrigens zur schwarz-roten Sparpolitik an, was
denn jetzt alles wegfällt: die aufsuchende Suchthilfe, drei Jugendfreizeit- und Familieneinrichtungen, Reduzierung
der Stadtteilkoordination und der Obdachlosenhilfe, Schließung von Wasserspielplätzen und sogar der Wachschutz an zwölf Neuköllner Schulen entfällt. Aber Millionen Euro für den Taser, die hat der Senat anscheinend auf der hohen Kante.
Selbst wenn man wie Sie jetzt Fan des Tasers ist, schauen wir doch einmal nach Rheinland-Pfalz. Dort ist er flächendeckend schon im Einsatz. Bei 237 Einsetzen, also auch nicht so viele, mussten übrigens 43 Personen medizinisch versorgt werden,
und Verletzte durch Schusswaffen gab es trotzdem, Herr Stettner. Wer den Taser einführt, wird den Tasereinsatz massiv erhöhen, kaum Schusswaffeneinsätze reduzieren, aber gleichzeitig mehr Menschen medizinischen Risiken aussetzen. Das ist eine Tatsache, die ignorieren Sie komplett.
Worauf Sie auch keine Antwort haben: kein Einsatz gegen Kinder, Schwangere oder Personen mit Vorerkrankungen des Herz-/Kreislaufsystems.
Da wäre der Tasereinsatz unverhältnismäßig, oder besser gesagt, einfach lebensgefährlich. Ich habe übrigens Herrn Balzer – der hört sich das gar nicht mehr an hier – letztes Jahr schon gefragt, wie er erkennt, ob jemand im vierten oder fünften Monat schwanger ist oder eine Herz-/Kreislauferkrankung hat. Also ich kann das nicht. Was ist mit denjenigen, die das Gesetz anwenden müssen? Ein solches Gesetz senkt nicht nur die Einsatzschwelle für den Taser, sondern erhöht auch das rechtliche Risiko für Polizistinnen und Polizisten. Ich finde, es ist genauso wichtig über den Schutz der Berliner Polizistinnen und Polizisten zu reden. Aber bitte denken wir dabei stets auch immer an den Schutz aller anderen Berlinerinnen und Berliner.
Das Dilemma des Tasers: Er ist in bestimmten Situationen hilfreich, in anderen gefährlich. Immer wieder wird gerade auch von der großen Koalition angeführt: Wir brauchen ihn für Suizidgefährdete, für Menschen unter
Alkohol- und Drogeneinfluss – Herr Förster hat es gesagt – oder in psychischen Ausnahmesituationen. Nun können
wir uns natürlich überlegen, ob die beste Antwort auf solch schwierige Einsätze der Taser ist, reden wir gern darüber, welche Mittel am effektivsten, am effizientesten und am besten sind, zum Beispiel im Innenausschuss, wenn wir dann vielleicht nicht über den Taser reden, sondern über den Antrag von den Linken und uns zu Kriseninterventionsteams.

Was ich Ihnen aber jetzt schon sagen kann: Mehr Sicherheit erreicht man nicht, indem man den Bezirken die
Gelder kürzt, um die feuchten Träume der AfD wahr zu machen. Überlegen Sie es sich bitte noch mal. Ich wäre
Ihnen sehr verbunden. – Vielen Dank!

Plenarptokoll: Antwort auf Zwischenintervention

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Förster! Hätten Sie mir zugehört:
Ich habe gesagt, es gibt Situationen, in denen ist der Taser hilfreich, in anderen ist er gefährlich. Ich würde mir
einfach mal wünschen für unsere Debatten, dass Sie nicht immer sagen: Der Taser wird von der Polizei und den
Gewerkschaften gewünscht, und deshalb ist er ein Allheilmittel. Vielleicht gibt es auch andere Wege, eben nicht nur Polizistinnen und Polizisten zu schützen, sondern auch die Betroffenen. Glauben Sie mir, die schwierigen Einsätze, mit den Leuten, die nicht mehr ansprechbar sind, die seit Monaten, gegebenenfalls auch Jahren schon Drogenprobleme haben und deshalb nicht mehr
zurechnungsfähig sind, denen hilft der Taser am Schluss auch nicht.
Was den Menschen helfen würde, das ist aufsuchende Sozialarbeit. Das sind die Angebote der Suchthilfe. Genau die werden jetzt an anderer Stelle gekürzt. Da wundere ich mich schon, wenn Sie sagen, Sie kommen aus dem Bezirk Neukölln. Sie als CDU haben sich doch hingestellt im Wahlkampf und die ganze Zeit die Silvesterdebatte von oben nach unten laut durch alle Medien und
durch die sozialen Netzwerke getönt. Wenn wir uns doch hier an einer Stelle einig waren, dann ist es die, dass gerade die Regelstrukturen, die Sozialarbeit, die Angebote für Jugendliche das Wichtige sind. Das muss gestärkt werden.
Wenn Sie sich in den Bezirksfinanzen auskennen würden, würden Sie wissen, da ist ein sehr, sehr großer Teil einfach schon einmal geblockt durch Pflichtleistungen, also Gelder, über die der Bezirk nicht entscheiden kann, sondern zwingend ausgeben muss. Das, was dann noch übrig ist für die freiwilligen, für die sozialen Angebote, das ist ohnehin schon zu wenig. Was Sie gerade ankündigen, ist, den Bezirken und eben nicht nur Neukölln, sondern allen zwölf Bezirken, das Geld dafür wegzunehmen, damit Sie die Wünsche der Polizei, der Polizeigewerkschaften und der AfD wahrmachen. Das können Sie so machen. Ich finde es an dieser Stelle scheinheilig und falsch.