Rede zum Versammlungsfreiheitsgesetz – Gegen jeden Antisemitismus!

Plenarprotokoll 19/11 5. Mai 2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Rot-Rot-Grün hat
in der letzten Legislaturperiode das liberalste Versammlungsgesetz der Bundesrepublik beschlossen, und das ist
auch gut so.
Mit über 6 000 Versammlungen im Jahr sind wir Demonstrationshauptstadt und das Zuhause einer lebendigen
Demokratie. Was wir aber in den vergangenen Wochen auf Kundgebungen zu dem Nahostkonflikt beobachten
mussten, hat damit nichts zu tun. Wenn blanker Judenhass zur Schau gestellt wird, Terrororganisationen verherrlicht oder Pressevertreter und Pressevertreterinnen angegriffen werden, ist das nicht hinnehmbar. Das darf
und das wird nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Konsequenzen gibt es nach geltendem Recht und Gesetz. Antisemitismus ist keine Meinung. Antisemitismus ist
unter keinen Umständen von der Versammlungsfreiheit gedeckt, und daran ist auch nicht zu rütteln. Auf den
besagten Versammlungen vor zwei Wochen wurden auch mehrere Journalisten und Journalistinnen angegriffen.
Keine Frage, da gibt es allen Grund zur Sorge, denn Angriffe auf Journalisten und Journalistinnen werden immer
alltäglicher, ob durch Coronaleugner, Rechte oder Antisemiten. Diese Angriffe sind nichts anderes als Angriffe
auf unsere Demokratie.
Deutschland erhält passend zum Tag der Pressefreiheit vorgestern von Reporter ohne Grenzen auch nur die Note
zufriedenstellend. Ja, zufriedenstellend ist nicht gut genug. Es war auch ein Fehler, dass ein Journalist auf der
Demo vor zwei Wochen von der Polizei wegeskortiert wurdeund sei es im besten Fall nur zu seinem eigenen Schutz,
aber das liegt nicht, wie die CDU und FDP hier behaupten, an einer unklaren Rechtslage. Das Versammlungsfreiheitsgesetz ist an dieser Stelle glasklar.
Es ist Aufgabe der Polizei als Versammlungsbehörde die freie Berichterstattung der Medien bei Versammlungen
zu gewährleisten. Es steht dort schwarz auf weiß.
Liebe Opposition! Ich möchte Ihnen an dieser Stelle auch sagen, wer den Fehler hier im Gesetz sucht, der führt eine
Scheindebatte. Um in Zukunft besser aufgestellt zu sein, brauchen wir keine Rechtsänderung, sondern ernsthafte
Aufarbeitung, Nachbereitung und lernende Behörden und eine lernende Polizei. Die Vorfälle, die hätten so nicht
passieren dürfen. Die Polizei vor Ort hätte zwingend eingreifen müssen. Da sind wir uns auch alle einig. Aber
gerade, weil wir diesen Fehler nicht rückgängig machen können, müssen wir es eben beim nächsten Mal besser
machen.
Nun amüsiert mich der Antrag der FDP, die versucht, die Schuld der Begründung in einer Teilregelung des § 7
Abs. 4 zu suchen. Das klingt weniger nach Aufarbeitung, das klingt eher nach Ablenkung. Auch die CDU stößt in
gleiches Horn. Sie suchen die Schuld ebenfalls woanders, nämlich in dem Begriff – Sie haben es gesagt – der öffentlichen Ordnung. Der stellt allerdings keinen Ausschlussgrund im Berliner Versammlungsrecht dar. Auch wenn man den Umgang mit prorussischen Autokorsos und Auflagen anspricht, wurde doch nachgesteuert.

All das, was Sie fordern, hat die Innensenatorin doch umgesetzt. Wenn man Ihnen also zuhört, mit dieser Rechtsänderung klingt das eher nach dem Wunsch nach einer Generalermächtigung für das Verbot von unliebsamen Demonstrationen.

Herr Schreiber hat es auch schon angesprochen: Der Praxistest zeigt uns doch, Sie liegen vollkommen falsch.
Sie haben uns auch mehrere parlamentarische Anträge zur Beratung vorgelegt für das Verbot von Demonstrationen zum Al-Quds-Tag. Wissen Sie, was auf Grundlage dieses Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes passiert ist? – Nach Vorlage einer Anmeldung für vergangenen Freitag wurde geprüft, und es wurde verboten, bestätigt vom Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht. Da haben Sie es, das Gesetz funktioniert, schwarz auf weiß.

Nun können wir uns natürlich gerne in Zukunft darüber unterhalten, wie wir das liberale Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz weiter mit Leben füllen. Da bin ich gerne dabei. Aber hören Sie doch bitte auf, dieses wunderbare
Gesetz für Ihre Law-and-Order-Fantasien zu instrumentalisieren. – Vielen Dank!