Rede zur Rettungsdienstlaufbahn und zum Rettungsdienstgesetz

Plenarprotokoll 19/46

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Herrmann! Wir sind uns im Grunde einig,
der Unterschied ist, machen ist wie wollen, nur krasser, deshalb kommen Sie mal ins Machen!
Es ist nämlich kein Geheimnis, die Berliner Feuerwehr steuert auf einen Kollaps zu. Ausnahmezustände sind die Regel. Der Rechnungshof bemängelt 1 000 fehlende Stellen in der Notfallversorgung. Aus den Ankündigungen, Tempo zu machen, ist offensichtlich nichts geworden, zumindest nicht mit diesem Gesetzentwurf. Statt im Innenausschuss eine Debatte zu führen, wie man eine Personaloffensive wirklich vorantreibt, verfällt die zuständige Senatorin lieber in Vergangenheitsbewältigung.
Aber egal, wie man es auch sieht, schuld sind immer die anderen, das ist eine einfache Antwort, aber weder eine richtige noch eine hilfreiche.
Die Lösung, die heute präsentiert wird, ist Schönfärberei. Die Rettungsdienstabweichverordnung war als Ausnahmeregelung und Erste-Hilfe-Verband gedacht, denen dann bald eine umfassende Reform folgt, doch heute machen Sie eigentlich nichts anderes als die Ausnahme zur Regel. Ändern wird sich an der Situation des Rettungsdienstes dadurch nichts. Es ist also, als ob man den
Kopf in den Sand steckt und hofft, dass eine Rettungsdienstreform vor der Nase liegt, wenn man ihn wieder rausnimmt.
Vor allem wird eine Reform selbst dann nicht weiterhelfen, wenn der Nachwuchs fehlt. Ein Drittel der Ausbildungsplätze für Notfallsanitäterinnen und -sanitäter konnte letztes Jahr nicht besetzt werden. Das ist doch kein akzeptabler Zustand. Ein Baustein für zeitgemäße Personalstrukturen wäre die Schaffung einer Rettungsdienstlaufbahn neben der feuerwehrtechnischen Laufbahn, denn es ist nach wie vor so: Wer in der Berliner Feuerwehr Karriere machen will, muss eine feuerwehrtechnische
Ausbildung gemacht haben. Was zunächst logisch klingt, ist es auf den zweiten Blick gar nicht, denn über 90 Prozent der Einsätze der Berliner Feuerwehr sind Einsätze im Rettungsdienst. So sehr Multifunktionalität ihre Vorteile hat, Pech hat heute, wer nur Rettungsdienst machen will, und zwar strukturell und finanziell.

Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour: Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrmann?

Vasili Franco (GRÜNE): Ja, sehr gerne doch!

Alexander Herrmann (CDU):
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege! Wenn wir beim Thema Machen sind, sind Sie nicht auch der Meinung, dass in der Vergangenheit, auch wenn Sie nicht zurückgucken wollen, bei dem Thema viel zu wenig gemacht wurde und wir jetzt lieber gemeinsam im Interesse der Beschäftigten auf die Tube drücken sollten?


Vasili Franco (GRÜNE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich bin seit Ende 2021 in diesem Parlament. Im Sommer 2022 haben wir den Dauerausnahmezustand hier tagtäglich diskutiert. Im Sommer 2022 wurde versprochen, wir machen Tempo. Was ich heute höre, und wir haben fast Sommer 2024, ist: Jetzt machen wir aber wirklich Tempo. – Und das, da gebe ich Ihnen wirklich recht, ist viel zu wenig. Wenn Sie nach Vorschlägen fragen – ja, Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich erinnere Sie an unser Papier der Grünenfraktion vom Dezember 2022. Da stehen viele Sachen drin, ich glaube, bei vielen stimmen Sie uns sogar zu, einige davon wurden auch schon im Innenausschuss als Teil der großen Rettungsdienstreform angekündigt. Seitdem ich nicht mehr in Regierungsverantwortung bin, frage ich mich: Warum ist all das, was angekündigt worden ist, bisher immer noch im Wollen und nicht im Machen? – Ich unterstütze Sie gerne. Die Gesetzesvorschläge von uns liegen auch auf dem Tisch. Da dürfen Sie auch gerne abschreiben, wenn Sie wollen.

Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour:
Herr Kollege! Gestatten Sie auch eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Herrmann?

Vasili Franco (GRÜNE): Sehr gerne!

Alexander Herrmann (CDU):
Das ist ganz lieb, Herr Kollege! Ihr Papier haben Sie bei uns abgeschrieben, das aber nur am Rande. Ich wollte fragen: Sind Sie nicht auch der Meinung, dass das Problem am Ende nicht mit mehr Personal, mehr Call-Takern und mehr RTWs gelöst werden kann, sondern dass wir eher an die Struktur rangehen müssen und schauen: Was ist tatsächlich ein Noteinsatz, was nicht? Wo brauchen wir die Berliner Feuerwehr? Wo brauchen wir sie nicht? –, um daraus dann auch für das Thema Rettungsdienstlaufbahn die richtigen Schlüsse zu ziehen. Machen Sie also nicht den zweiten Schritt vor dem ersten? – Vielen Dank!

Vasili Franco (GRÜNE):
Vielen Dank, lieber Herr Kollege Herrmann! Nein, wir machen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten. Wir haben damals eigentlich auch schon den Weg aufgezeichnet – und zur Frage, wer von wem abgeschrieben hat: Ich erinnere mich an die letzte Debatte, als wir diese Abweichungsverordnung geschafft haben. Da haben Sie damals von Rot-Grün-Rot abgeschrieben. Aber auf solche Spielchen müssen wir uns doch gar nicht einlassen, denn das, was Sie ansprechen, ist doch vollkommen richtig: Wir müssen uns anschauen, was man strukturell verbessern kann. Wir müssen uns auch anschauen, wo man Prioritäten setzen muss, und beim Notfallkrankentransport wären wir sogar dafür gewesen, nicht mit einer Ausnahmeregelung zu arbeiten, sondern das direkt ins Gesetz zu schreiben.
Bei der Priorisierung von Notfällen von Krankentransporten gilt: Nicht der schnellste Wagen, sondern der notwendigste Einsatz muss priorisiert werden. Auch das wäre mit uns zu machen gewesen. Eine Rettungsdienstbedarfsplanung, ein Notfallregister: Auch diese Dinge sind mit uns zu machen. Und wissen Sie was? Ich glaube, wenn wir in der Regierungsverantwortung wären, dann würde es an der Stelle vielleicht auch etwas schneller gehen.
Also geben Sie sich einen Ruck! Wir unterstützen Sie dabei. Ihnen liegen doch keine Steine im Weg, zumindest nicht von uns. Deshalb frage ich mich: Warum geht es nicht voran? Ich bin ein Abgeordneter, ich habe eine Referentin und einen Mitarbeiter, aber kein ganzes Haus wie Frau Spranger. Ich würde mir wünschen, dass man da tatsächlich das Tempomachen etwas ernster nimmt. Geben Sie sich eine Ruck! Die Feuerwehr hätte es verdient.
– Schön, dass wir uns einig sind, Herr Kollege Herrmann.

Wenn wir uns das Thema Rettungsdienstlaufbahn anschauen, gilt auch hier: erst wollen, noch nicht machen. Es wäre eine Neuaufstellung des Rettungsdienstes und auch eine Chance, die Frauenquote im Einsatzdienst der Feuerwehr von gerade einmal 3,3 Prozent zu erhöhen. Übrigens sind da die Hilfsorganisationen mit 30 bis 40 Prozent Frauenanteil auch schon weiter. Es scheint ja zu gelingen. Auch hier gilt es zu verstehen: Personalgewinnung ist manchmal mehr, als Frauen in einer Imagekampagne abzubilden. Ich habe es ja eigentlich auch schon gesagt, lieber Kollege Herrmann, liebe Frau Spranger, was ich nicht verstehe: Wenn man im Sommer 2022 Tempo verspricht, dann ist das, was hier und heute vorliegt, einfach noch zu wenig. Ich verstehe das Zögern und Zaudern einfach nicht, denn genau das wird eine Gefahr für die Notfallversorgung in Berlin, und es wird vor allem den Beschäftigten der Berliner Feuerwehr nicht gerecht. – Vielen Dank!